Was ist ein Pflichtteil?

Der Pflichtteil sorgt dafür, dass nahe Angehörige des Erblassers eine finanzielle Mindestbeteiligung am Nachlass erhalten, wenn der Erblasser sie durch Verfügung von Todes wegen enterbt hat.

 

Der Pflichtteil besteht in 50% des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Zu beachten ist dabei, dass der Pflichtteil nur eine Geldforderungen gegen die übrigen Erben darstellt. Der Pflichtteilsberechtigte kann dementsprechend nicht verlangen, dass er bestimmte Nachlassgegenstände erhält.


Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Pflichtteilsberechtigt ist lediglich ein enger Kreis, nämlich

  • die Nachkommen des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel),
  • Eltern
  • der Ehegatte.

Die Eltern sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Erblasser keine Kinder hinterlässt. Entferntere Nachkommen (z.B. Enkelkinder) sind solange nicht pflichtteilsberechtigt, wie nähere Abkömmlinge (z.B. Kinder) vorhanden sind.


Was ist ein Pflichtteilsergänzungsanspruch?

Der Gesetzgeber hat zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten geregelt, dass bestimmte Schenkungen vor dem Tod des Erblassers bei der Berechnung des Pflichtteils durch einen so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu berücksichtigen sind. Dadurch soll vermieden werden, dass der Erblasser zu Lebzeiten Vermögenswerte verschenkt, um dadurch den Pflichtteil zu schmälern.

 

Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch steht nicht nur demjenigen zu, der durch Verfügung von Todes wegen vollständig enterbt wurde. Auch wenn einem Pflichtteilsberechtigten weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils hinterlassen wurde, kommt ein solcher Ergänzungsanspruch in Betracht.


Lösen sämtliche Schenkungen zu Lebzeiten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch aus?

Nein. Pflichtschenkungen und Anstandsschenkungen (z.B. Geburtstagsgeschenke, Geschenke zu Weihnachten oder besonderen Anlässen) lösen keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch aus. Der Bundesgerichtshof nimmt eine Pflichtschenkung an, wenn das „Unterbleiben der Schenkung dem Erblasser als Verletzung seiner sittlichen Pflicht“ anzulasten wäre.

 

Zudem  werden über den Pflichtteilsergänzungsanspruch nur Schenkungen korrigiert, die der Erblasser während der letzten zehn Jahre an einen Dritten vorgenommen hat.  Schenkungen, die im ersten Jahr vor dem Erbfall gemacht wurden, werden mit ihrem vollen Wert berücksichtigt. Mit jedem Jahr bis zum 10. Jahr vor der Schenkung wird jeweils 10% vom Wert der Schenkung abgezogen, sodass also auch nur ein so verminderter Wert dem Ergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten zugrunde gelegt wird. Schenkungen, die mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgten, bleiben vollkommen unberücksichtigt. Schenkungen des Erblassers an den Ehegatten unterliegen besonderen Regeln. Hier läuft die Zehnjahresfrist nicht vor der Auflösung der Ehe, etwa durch Scheidung.

 

Ein Beispiel:

Der verwitwete Vater V hat seiner Freundin im Jahr 2011 einen Geldbetrag i. H. v. 800.000 € geschenkt. Im Jahr 2016 verstirbt V. Zum Alleinerben hat V die Nichte N eingesetzt. Damit wurde die einzige Tochter T enterbt.

 

Da die Tochter T enterbt wurde, ist diese pflichtteilsberechtigt. Neben dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch steht ihr aufgrund der lebzeitigen Zuwendung des V an seine Freundin auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Da zwischen dem Erbfall und der Schenkung aber schon 5 Jahre vergangen sind, wird nur noch 5/10 der Schenkung, also. 400.000 EUR (5/10 von 800.000 €) berücksichtigt.Für T ergibt sich dann eine Pflichtteilsquote von ½. Aus diesem Grunde kann T noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch i. H. v. 200.000 EUR (1/2 von 400.000 EUR) beanspruchen.


Wie hoch ist der Pflichtteil des Ehegatten?

Die Höhe des Pflichtteils eines enterbten Ehegatten ist zum einen davon abhängig, in welchem Güterstand die Ehegatten lebten. Zum anderen ist von Relevanz, welche Verwandten des Erblassers bei dessen Tod vorhanden sind. 

 

Haben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, gilt folgendes: Die Pflichtteilsquote des enterbten Ehegatten bestimmt sich zunächst nach dem so genannten keinen Pflichtteil. Dieser beträgt

  • neben Verwandten der 1. Ordnung: 1/8
  • neben Verwandten der 2. Ordnung: 1/4
  • neben sonstigen Verwandten: 1/2

Zusätzlich kann der enterbte Ehegatte den Zugewinnausgleich geltend machen. Da es sich bei dem Zugewinnausgleichsanspruch dann um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, ist dieser vor der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs von dem Nachlasswert in Abzug zu bringen.

 

Hat der Ehegatte einen Erbteil oder ein Vermächtnis erhalten, steht ihm daneben noch der so genannte „große“ Pflichtteil zu. Die große Pflichtteilsquote beträgt

  • neben Verwandten der 1. Ordnung: 1/4
  • neben Verwandten der 2. Ordnung: 3/8
  • neben sonstigen Verwandten: 1/2

Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?

Der Pflichtteilsanspruch verjährt innerhalb von 3 Jahren von dem Schluss des Jahres an gerechnet, in welchem man davon erfahren hat, dass der Erbfall bei dem nahen Angehörigen eingetreten ist und dass man durch ein Testament oder Erbvertrag enterbt wurde.

 

Ein Beispiel:

Der Sohn T erfährt im Rahmen der Testamentseröffnung im Februar 2011, dass er von seinem Vater enterbt wurde. Der Pflichtteilsanspruch des T verjährt mit Ablauf des 31.12.2014.