Was bedeutet gesetzliche Erbfolge?

Wenn der Erblasser weder ein Testament noch einen Erbvertrag hinterlassen hat, kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Dies bedeutet, dass dann das Gesetz bestimmt, was mit dem Vermögen des Erblassers geschieht. Die gesetzliche Erbfolge greift auch dann, wenn die erbrechtlichen Verfügungen wegen Formmangels, Testierunfähigkeit des Erblassers, Anfechtung oder Ausschlagung des Erben unwirksam sind.


Welchen Prinzipien folgt die gesetzliche Erbfolge?

Der gesetzlichen Erbfolge liegt der Gedanke zugrunde, dass die Vermögenswerte des Erblassers in der Familie verbleiben sollen. Aus diesem Grund spricht man auch vom Verwandtenerbrecht. Dabei herrscht der Grundsatz, dass diejenigen Verwandten, die mit dem Erblasser näher verbunden sind, entferntere Verwandten ausschließen. Der Ehegatte hat neben den Verwandten ein eigenes gesetzliches Erbrecht.


Wie genau ist das Verwandtenerbrecht geregelt?

Das Gesetz stuft die Verwandten des Erblassers in folgende fünf verschiedene Ordnungen ein.

  • Erben 1. Ordnung = Abkömmlinge des Erblassers (also Kinder, Enkel, Urenkel etc), § 1924 BGB
  • Erben 2. Ordnung = Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (also Geschwister, Neffen/Nichten und deren Kinder etc), § 1925 BGB
  • Erben 3. Ordnung = Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (also Onkel/Tante, Cousine/Cousin und deren Kinder etc.) , § 1926 BGB
  •  Erben 4. Ordnung = Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, § 1928 BGB
  •  Erben 5. Ordnung = Ururgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, § 1929 BGB

Dabei gilt: Wenn auch nur ein Erbe einer vorrangigen Ordnung vorhanden ist, verdrängt dieser sämtliche anderen Personen, die in entfernteren Ordnungen vorhanden sind.

Ein Beispiel:

Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers leben noch sein Sohn, seine Mutter sowie seine Geschwister. In diesem Fall erbt allein der Sohn, denn dieser gehört der 1. Ordnung an, alle anderen nur der 2. Ordnung.

Von wichtiger Bedeutung ist ferner das sog. Repräsentationssystem (§ 1924 Abs. 3 BGB). Danach schließt ein noch lebender Erbe seine Abkömmlinge von der Erbfolge aus.

Ein Beispiel:

Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers lebt noch sein Sohn, der wiederum 3 Kinder hat. Zwar sind sowohl der Sohn als auch die Enkelkinder des Erblassers allesamt Erben der 1. Ordnung. Jedoch erbt hier der Sohn nach dem Repräsentationsprinzip alleine.


Und wie ist das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten geregelt?

Der Ehegatte des Erblassers hat neben den Verwandten ein eigenes gesetzliches Erbrecht. Die Erbquote des Ehegatten richtet sich zunächst danach, welche Verwandten als weitere Erben vorhanden sind. Neben Erben der 1. Ordnung erbt der Ehegatte z.B. zu 1/4, neben Verwandten der 2. Ordnung oder neben Großeltern zu 1/2. Sind keine Verwandten der 1. bis 3. Ordnung vorhanden, wird der Ehegatte zum Alleinerben.

 

Die Erbquote des Ehegatten ist weiterhin davon abhängig, in welchem Güterstand die Ehegatten bis zum Erbfall gelebt haben. Wenn die Ehegatten keinen Ehevertrag hatten und damit im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, erhöht sich der Anteil des überlebenden Ehegatten pauschal um 1/4 auf 1/2 neben den Erben der 1. Ordnung und auf 3/4 neben den Erben der 2. Ordnung, unabhängig von der Anzahl der sonstigen Erben.

 

 

Ein Beispiel:

Der Erblasser hat mit seiner Ehefrau im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und neben der Ehefrau erben 2 Kinder. Die Ehefrau erbt dann 1/4 + 1/4, insgesamt also 1/2. Die Kinder erben die andere Hälfte, also jeweils 1/4.

 

 

Haben die Ehegatten in Gütertrennung gelebt, kommt es darauf an, ob bzw. wie viele Kinder der Erblasser hinterlassen hat. Neben einem Kind erbt der Ehegatte 1/2. Neben zwei Kindern beläuft der Anteil des Ehegatten auf 1/3. Sind drei Kinder oder mehr vorhanden, beläuft sich der Erbanteil des Ehegatten auf 1/4.

Beim Ehegattenerbrecht gibt es Konstellationen, in denen es - bei Vorliegen einer Zugewinngemeinschaft – für den Ehegatten wirtschaftlich sinnvoll sein kann, seine Erbschaft auszuschlagen. Denn wenn der Ehegatte nicht Erbe wird, kann ein Zugewinnausgleich und daneben ein "kleiner" Pflichtteil geltend gemacht werden. Über diese Variante ist immer dann verstärkt nachzudenken, wenn der verstorbene Ehegatte während der Ehe einen hohen Zugewinn erzielt hat, sich also sein Vermögen einseitig stark vermehrt hat.

 

Hierzu ein Beispiel:

M hinterlässt ein während der Ehezeit erworbenes Vermögen von 400.000 €. M wird von dem Sohn S und seiner Frau F beerbt. F hat während der Ehezeit kein Vermögen angehäuft.

 

Der gesetzliche Erbteil der F beläuft sich auf 1/2, also auf 200.000 €. Würde F das Erbe ausschlagen und einen Zugewinnausgleich nebst "kleinem Pflichtteil" geltend machen, würde sie 225.000 € erhalten; nämlich 200.000 € über den Zugewinnausgleich und weitere 25.000 € über den "kleinen" Pflichtteil.


Um was handelt es sich beim "Voraus" und beim "Dreißigsten"?

Als gesetzlicher Erbe hat der Ehegatte neben dem obig dargestellten Erbrecht noch einen Anspruch auf den so genannten Voraus. Hierzu gehören der ehelichen Hausrat (z.B. Möbel, Familien-PKW, technische Geräte etc.) und die Hochzeitsgeschenke. Durch die Überlassung dieser Gegenstände soll es dem überlebenden Ehegatten ermöglicht werden, sein Leben in dem bisherigen Umfeld weiter fortzuführen. Der überlebende Ehegatte hat einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die übrigen Miterben auf Übertragung der zum Voraus gehörenden Gegenstände.

 

Daneben besteht seitens des Ehegatten noch ein Anspruch auf den so genannten Dreißigsten. Hierbei handelt es sich um einen Anspruch auf Unterhalt während der ersten 30 Tage nach dem Erbfall.


Wie wirkt sich eine Trennung auf das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten aus?

Die Trennung selber hat zunächst noch keine Auswirkungen auf das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten. Nach dem Gesetz verliert ein Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht aber, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.

 

Hat nur der überlebende Ehegatte die Scheidung beantragt und wurde die Scheidung zum Zeitpunkt des Todes noch nicht durchgeführt, bleibt das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten erhalten. Der eigene Antrag auf Ehescheidung steht der Zustimmung zur Ehescheidung grds. gleich.

 

Ein Tipp:

Der Antragsgegner sollte im Rahmen eines Scheidungsverfahrens (über einen Rechtsanwalt) einen eigenen Scheidungsantrag stellen, wenn er vermeiden möchte, dass es vor der endgültigen Scheidung zu unterschiedlichen Erbfolgen für den Fall des Todes des Antragstellers einerseits und des Antragsgegners andererseits kommt.