Pflichtteil: Schenkung und Wohnrecht

Der BGH hat mit Entscheidung vom 29.06.2016 (Aktenzeichen IV ZR 474/15) klar gestellt, wann die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB bei der Schenkung einer Immobilie greift, wenn der Schenker sich ein Wohnrecht vorbehält.

Eine Schenkung wird bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gem. § 2325 Abs. 3 BGB innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Wenn seit der Schenkung zehn Jahre verstrichen sind, bleibt die Schenkung grds. unberücksichtigt. Sofern der Erblasser jedoch nach der Schenkung noch wirtschaftlich in den Genuss des verschenkten Gegenstands kommt – etwa weil er sich ein Nießbrauchs- oder Wohnrecht an der verschenkten Immobilie vorbehalten hat-, ist zu hinterfragen, ob bzw. wann die Zehnjahresfrist in Gang gesetzt wurde.


Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine Leistung i.S.v. § 2325 Abs. 3 BGB erst vor, „wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand im Wesentlichen weiterhin zu nutzen“. Eine Schenkung gilt damit als nicht geleistet, „wenn der Erblasser den Genuss des verschenkten Gegenstands nach der Schenkung nicht auch tatsächlich entbehren muss“ (so genannte Genussverzichtsrechtsprechung).


Der BGH hat nun entschieden, dass die Frist nach § 2325 Abs. 3 BGB grds. nicht in Gang gesetzt wird, wenn sich der Erblasser bei der Übertragung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht vorbehält und somit die übertragene Immobilie im Wesentlichen weiternutzen kann. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn das Wohnrecht lediglich für einen Teil der übertragenen Immobilie eingeräumt wird und der Schenker nicht mehr "Herr im Haus" ist.