Damit ein Schriftstück als Testament auszulegen ist, bedarf es bei der Abfassung eines ernsthaften Testierwillens. Dies hat das OLG München in einer Entscheidung dargelegt und damit die Auslegungskriterien für die häufigen Fälle von insoweit unklar bzw. ungenau formulierten Schriftstücken erläutert.
Das OLG München hatte darüber zu entscheiden, ob das nachfolgende Schreiben der Erblasserin aus dem Jahr 1975 als letztwillige Verfügung anzusehen war:I
„(Ort), 20.10.1975
An das (= Beteiligter zu 4)
Habe mich entschlossen nach meinem Tode mein Vermögen (Bar u.. Wertpapiere; C.bank; A.) dem (= Beteiligter zu 4) zur Verfügung zu stellen. Sollte mir unerwartet etwas zustossen, dann halten Sie dieses Schreiben als Vollmacht! (Ort), 20.10.1975 (Unterschrift)“
Das Nachlassgericht war der Ansicht, dass das Schreiben vom 20.10.1975 eine Erbeinsetzung enthalte. Hiergegen wendete sich ein Teil der gesetzlichen Erben.
Das OLG München war dann der Ansicht, dass das Schreiben vom 20.10.1975 kein Testament darstellt, weil es beim Abfassen des Schreibens an einem ernstlichen Testierwillen gefehlt hätte. Das OLG führt hierzu aus:
„Grundsätzlich kann in einem vom Erblasser eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Brief der letzte Wille des Erblassers enthalten sein. Eine solche schriftlich niedergelegte Erklärung des Erblassers kann allerdings, auch wenn sie den formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB genügt, nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruht. Daher muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden.
Ob ein solcher ernstlicher Testierwille vorgelegen hat, ist im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen (BayObLG FamRZ 1999, 534, 535 m. w. N.). An den Nachweis des Testierwillens sind bei einem Brieftestament strenge Anforderungen zu stellen (BayObLGZ 2000, 274, 277). Die Vorschrift des § 2084 BGB findet bei verbleibenden Zweifeln keine Anwendung (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 672; 2001, 944, 945).
Für die Auslegung des Schriftstücks als letztwillige Verfügung ist nämlich das Fehlen einer ausdrücklichen Bezeichnung des Schriftstücks als „‚Testament‘, ‚Mein letzter Wille‘ oder eines ähnlichen Ausdrucks unschädlich. Entscheidend ist, dass sich aus dem Schriftstück der Wille der Erblasserin ergibt, die Folgen ihres Todes ernsthaft und umfassend zu regeln (BayObLG FamRZ 2005, 656, 657).“